Brille kaputt? Fielmann Gewinnwarnung
Zusammenfassung
- Die im MDAX notierte Fielmann AG hat am 28. Juni 2018 eine Gewinnwarnung herausgegeben.
- Der Gewinn vor Steuern soll im 1. Halbjahr 2018 nun nur noch bei rund 116 Mio. EUR liegen nach 123 Mio. EUR in der ersten Jahreshälfte 2017.
- Ich rechne damit, dass dies der Beginn einer Serie von Gewinnrückgängen der Fielmann AG ist, weil das Onlinegeschäft verschlafen wurde.
- Die Bewertung der Aktie ist mit einem KGV von über 30 absurd hoch, erst Recht, wenn es nun zu Gewinnrückgängen kommt.
Fielmann Gewinnwarnung: Onlinegeschäft verschlafen
Die Welt wandelt sich immer schneller. Meiner Meinung nach unterschätzt das Fielmann-Management die Gefahr durch ein aufkommendes Internetgeschäft für Brillen und hat dafür nun die erste Rechnung kassiert.
Der 78-jährige Gründer, Vorstandsvorsitzende und Mehrheitsaktionär der Fielmann AG, Günther Fielmann, möchte mit Sicherheit nur das Beste für Fielmann. Er hat Fielmann aus dem Nichts aufgebaut und Millionen von Kunden, Zehntausenden von Mitarbeitern, aber auch allen Aktionären einen unglaublich großen Dienst erbracht.
Ich bezweifle aber, dass er die Zeichen der Zeit richtig erkennt. Fielmann weigert sich nach wie vor, einen eigenen Online-Shop für Brillen aufzubauen. Sucht man auf der Website der Fielmann AG nach einer Brille, wird man nach ein paar Bildern auf die nächste Filiale geleitet. Konkurrenten wie Mr.Spex wird das Onlinegeschäft somit komplett überlassen. Alleine Marktführer Mr. Spex freut sich mittlerweile über dreistellige Millionenumsätze.
Begründet wird die Verweigerung vom Fielmann-Management mit einer "unerlässlichen persönlichen Beratung". Eine Beratung hilft bei der Wahl einer Brille, soviel ist klar. Oftmals wissen einige Kunden aber einfach auch schon, was sie brauchen. Z.B., wenn die alte Brille verloren oder kaputt geht. Dann reicht ein einfacher Austausch. Man sollte nicht die arrogante Haltung beziehen und dem Kunden vorschreiben, wo er was zu tun hat. Dann wird er im Zweifel zum Wettbewerber gehen. Man sollte ihm alle Möglichkeiten eröffnen und Online- und Offlinewelt bestens miteinander vernetzen.
Mir ist durchaus bewusst, dass die meisten Kunden regelmäßig einen Sehtest bei ihrem Optiker machen lassen. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Brille auch richtig passt. Viele Kunden wollen aber anschließend in aller Ruhe online nach dem richtigen Modell stöbern. Es gibt mittlerweile tolle Tools, mit denen man nach dem Upload eines Fotos virtuell verschiedene Brillen an seinem Gesicht ausprobieren kann.
Kunden, die Sonnenbrillen oder Modebrillen ohne Sehstärke bestellen wollen, werden im nicht vorhandenen Fielmann-Onlineshop ebenfalls nicht fündig und müssen zur Konkurrenz ausweichen.
Unterm Strich reicht bereits ein Kundenschwund von 10-20%, um zu einem deutlichen Gewinneinbruch zu führen. Immer noch vorhandene Fixkosten wie Mieten oder Personalausgaben müssen dann auf weniger Kunden umgelegt werden.
Fielmann Gewinnwarnung: Gewinn bricht um über 5% ein
Nun ja, uns sollte das Resultat dieser verweigernden Haltung nicht überraschen. Heute vermeldete die Fielmann AG in einer Ad-Hoc-Mitteilung folgende Neuigkeiten:
- Im ersten Halbjahr stagnieren die Umsätze, bzw. fallen sogar ab, wenn man den Umsatz pro Filiale betrachtet.
- Personalkosten und Mieten steigen durch Lohnsteigerungen und Mieterhöhungen stetig an.
- Die Folge: Der Gewinn vor Steuern ist im 1. Halbjahr um rund 5-6% von 123 Mio. EUR auf 117 Mio. EUR eingebrochen.
Nur zur Erinnerung: Diese Aktie wird auf Basis des 2017er Gewinnes mit einem KGV von rund 33 bewertet. Nun ist der Gewinn um über 5% abgefallen. Damit steigt das KGV auf über 35. Fielmann wird von vielen Aktionären (zu Unrecht?) immer noch als "sicherer Hafen" betrachtet. Das Unternehmen hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich steigende Umsätze, Gewinne und Dividenden vermeldet. Wie in einem Szenario sinkender Gewinne dauerhaft eine steigende Dividende ausbezahlt werden können soll, ist mir aber unklar.
Um es nochmals klarzustellen: Fielmann ist ein tolles Unternehmen. Eine Cash-Cow. Aber hier besteht die Gefahr, dass man sich ändernde Kundenwünsche ignoriert und dafür brutal abgestraft wird.
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Fazit zur Fielmann Gewinnwarnung
- Die Bewertung ist verrückt hoch. Könnte man short gehen, so würde ich Fielmann shorten.
- Gleichzeitig ist die Marktstellung von Fielmann und das sich daraus ergebende Potential enorm gut. Man könnte den Erfolg aus dem DACH-Raum sicherlich auch im übrigen Europa wiederholen und so das Umsatz- und Gewinnwachstum massiv beschleunigen. Gleichzeitig müsste man einen richtig tollen Onlineshop aufbauen und diesen eng mit den Filialen verzahnen.
- Möglicherweise kann Fielmann die sinkenden Kundenzahlen mit Preiserhöhungen noch eine Weile lang ausgleichen und so den Gewinn zumindest stabil halten. Mit einer solchen Peak-Earnings-Strategie werden aber Kunden verärgert, der Konkurrenz die Türen aufgemacht und es wird definitiv kein Wert für die Aktionäre geschaffen.
- Der Aktienmarkt straft die Fielmann-Aktie nachbörslich bereits mit über 10% ab. Ich rechne in den nächsten Monaten mit weiter sinkenden Aktienkursen.
- Sobald es bei Fielmann zum Vorstandswechsel kommt, werde ich genau darauf achten, ob es zu einer Strategieänderung in Richtung der von mir beschriebenen Maßnahmen kommt. Dann kann es passieren, dass ich meine Meinung sehr schnell abändere.
- Zum Abschluss: Immer dran denken, hierbei handelt es sich nur um meine persönliche Meinung. Ich kenne die Zukunft genauso wenig wie ihr, bin aber der festen Überzeugung, dass wir Aktionäre derzeit bessere Alternativen mit besseren Perspektiven bei gleichzeitig geringeren Risiken finden können.
Kapitalistische Grüße,
Jonathan Neuscheler
Quellen & Links
Beschreibung | Link |
Offizielle Fielmann-Gewinnwarnung vom 28. Juni 2018 | zur Mitteilung |
Fielmann "Website" | zur Website |