Kurze Unternehmensgeschichte: JD.com geht den "Amazon-Weg" in China
JD.com (chin. 京东 JingDong) wurde 1998 von Liu Qiangdong, (Richard Liu) in Peking gegründet. Im Jahr 2004 geht die Webseite online, auf der zuerst lediglich Speichermedien, Bücher, CDs und E-Books verkauft wurden. Irgendwie erinnert das total an die Erfolgsgeschichte von Amazon...
2011 wird eine Plattform für Unternehmen zur Verfügung gestellt, die ihre Ware auf JD verkaufen wollen. Diese stellt für ausländische Unternehmen ohne Sitz in China einen Marktzugang dar. 2014 wird das #1 soziale Netzwerk Chinas, Tencent, als Partner gewonnen und gibt JD Zugriff auf WeChat (1 Milliarde Nutzer) als Marketingplattform. Dazu kommen weitere Partnerschaften mit Walmart und Google.
Mittlerweile verkauft das Online-Handelsunternehmen so gut wie alles. Z.B. das neueste Smartphone, Nahrungsmittel und Möbel. Der Fokus liegt auf Unterhaltungselektronik. In den letzten Jahren hat sich JD immer mehr an andere Geschäftsfelder und Technologien gewagt, dazu gehören Finanzdienstleistungen, Big-Data, KI und selbstfliegende Drohnen.
Für große europäische Marken wie L'Oréal, Nestle oder Unilever ist es in der Vergangenheit immer schwer gewesen, in China Fuß zu fassen und Produkte zu verkaufen. Dabei hilft JD mit einem All-Inclusive-Service weiter, kauft das Produkt, kümmert sich um das Marketing, den Verkauf und die Lieferung. So stellt JD für lokale und internationale Unternehmen den Zugang zum rasant wachsenden E-Commerce in China dar. Das Ziel von JD ist, skalierbare Prozesse aufzubauen und Online und Offline zu verbinden, mehr dazu später.
JD.com hilft großen westlichen Marken dabei, ihre Produkte an die chinesischen Konsumenten zu verkaufen. So eröffnet das Unternehmen den westlichen Marken einen riesigen Markt - und kann selbst enorm stark wachsen.
Das chinesische Amazon - oder gibt es doch Unterschiede?
JD wird häufig mit Amazon verglichen, aufgrund ähnlicher Geschäftsmodelle. Ebenso wird der CEO Liu Qiangdong häufig mit Jeff Bezos verglichen, da beide Self-Made Milliardäre sind und die Unternehmen ohne große Eigenressourcen von Grund auf aufgebaut haben. „Chinas Jeff Bezos“ investiert ebenso wie Amazon Milliarden in eine eigene Infrastruktur, bestehend aus automatisierten Warenhäusern und einem eigenen Lieferservice zu den chinesischen Konsumenten.
Ebenso investieren beide stark in intelligente und effiziente Auslieferungsstrukturen für die berühmte "letzte Meile" (Lieferung bis hin zum Endkonsumenten), wie Drohnen und Paketroboter.
Doch es gibt auch Unterschiede: Ein großer Unterschied ist, dass Amazon zusätzlich zu dem Kerngeschäft noch Amazon Web Services (AWS), Amazon Prime, Kindle, Media & Videos, Alexa und Amazon Go anbietet, zu denen JD (noch) keine Pendants hat.
Es wird zwar eine Premium Mitgliedschaft angeboten, deren Vorteile für den Kunden ausgebaut werden sollen, mit Rabattprogrammen und Partnerschaften. Dort steht das Unternehmen aber noch am Anfang. Auf der anderen Seite ist JD auch schon in einigen Bereichen Amazon voraus, zum Beispiel was Drohnen angeht. Bereits 2016 wurden diese in ländlichen Pilotprojekten von JD eingesetzt. Ebenso ist JD einen Schritt voraus im Bereich automatisierte Prozesse und KI, durch Paketroboter und vollautomatisierte Warenhäuser, wie im folgenden Video gezeigt wird.
Mission: Der Kunde ist König
Egal welches Interview man sich vom Gründer und CEO Liu Qiangdong anschaut; in jedem betont er die Wichtigkeit der "customer experience", des Kundenerlebnisses. Konkret bedeutet dies, dass der Kunde in so vielen Bereichen zufriedengestellt werden soll und das Alleinstellungsmerkmal von JD der Fokus auf die Kundenbedürfnisse ist.
Das Ziel ist, die aufstrebende Mittelschicht mit steigenden Ansprüchen zu versorgen, ebenso wie die Oberschicht mit einer neuen Luxussparte. Dies sind die vier wichtigsten Adjektive und Werte der Firma:
- Viel 多: Auf JD.com kann so gut wie alles eingekauft werden. Es gibt eine riesige Auswahl an lokalen und internationalen Größen, was auch den anspruchsvollsten chinesischen Kunden kaum Wünsche offen lässt.
- Schnell 快: JD Logistics gehört zu JD und unterhält ein Netzwerk von mehr als 550 Warenhäusern in China. Diese gehören zu den effizientesten und automatisiertesten der Welt. Mittlerweile werden mehr als 90% der gesamten Bestellungen am selben Tag oder am Tag darauf ausgeliefert. Mit dieser Geschwindigkeit kann kein E-Commerce Unternehmen weltweit mithalten. Dies ist unangefochtene Spitze. JD liefert nach eigenen Angaben an 99% der kompletten chinesischen Bevölkerung, also so gut wie flächendeckend.
- Gut 好: In China steht JD für hochwertige, authentische und qualitative Ware. Die Produkt-Standards sind hoch und JD passt auf, welche Firmen Partner werden und welche nicht. Ebenso ist der Kundenservice schnell und zuverlässig. Weitere Meinungen von Kunden von JD folgen.
- Günstig 省: Das Ziel von JD.com ist, den Offline-Handel langfristig zu unterbieten. Noch sind die Preise auf dem gleichen Level, jedoch hat JD sehr gute Chancen, die Preise zu drücken, da das Geschäftsmodell auf die Skalierbarkeit der Lieferung ausgelegt ist. Sprich, je mehr Produkte verkauft werden, desto geringer werden die Kosten pro ausgeliefertem Produkt.
Gespräche mit drei Kunden: Gute Kundenbindung & Weiterempfehlung
Tatsächlich haben die drei Kunden ein übereinstimmendes Bild von JD. Es wird die authentische und qualitative Ware gelobt und die schnelle und zuverlässige Lieferung, die meist am nächsten Tag erfolgt. Sie kaufen daher hauptsächlich bei JD, die Kundenbindung ist also hoch. Auch würden sie eine Premium Mitgliedschaft erwägen, durch die sie auch bei vielen anderen Unternehmen Rabatte und Coupons erhalten. Alle drei würden JD weiterempfehlen und haben vor, weiterhin Kunde zu bleiben. Es werden sich günstigere Preise gewünscht, die bisher Konkurrenten wie Taobao vorbehalten sind. Dies möchte JD in den nächsten Jahren durch den Skaleneffekt erreichen, mehr dazu später.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass JDs Versprechen also sehr gut beim Kunden ankommen und das Unternehmen daher über eine solide, stetig wachsende Kundenbasis verfügt, auf die aufgebaut werden kann.
Liu Qiangdong: Gründer, CEO und Visionär
Der Gründer Liu Qiangdong ist seit 1998 CEO der Firma. Seine Persönlichkeit lässt sich nicht mit einem Jack Ma von Alibaba vergleichen. Er äußert sich deutlich weniger in der Öffentlichkeit, jedoch hat er in den letzten Jahren einige Interviews gegeben, von denen einige auf YouTube einsehbar sind.
Insgesamt tritt er äußerst selbstsicher und zielstrebig auf. Er hat eine Vision für das Unternehmen. Und wichtig für Investoren, er denkt und handelt langfristig. Liu Qiangdong ist in einer abgelegenen Gegend Chinas aufgewachsen, der es wirtschaftlich schlecht ging. Er hat sich zum Ziel gesetzt, die Wirtschaft durch E-Commerce anzuschieben.
Er will mit seinem Unternehmen die Armut in ländlichen Gegenden bekämpfen, aus denen er kommt. JD hat daher ein Programm zur Armutsbekämpfung gestartet, dass die Händler bei Produktion und Verkauf unterstützt. Also verfolgt er als CEO auch seine persönliche Mission. Liu Qiangdong besitzt 15,4% der JD Aktien und ein Nettovermögen von 7 Milliarden USD.
Aktueller Skandal: unehrliches Management
Ende letzten Jahres wurde Liu Qiangdong in den USA festgenommen, aufgrund Verdachts auf sexuellen Missbrauch. Er wurde schnell wieder freigelassen. Da es zu wenige Beweise gegen ihn gab, wurde keine Anklage erhoben. Jedoch hat JD auf der eigenen Webseite mit falschen Informationen versucht, die Anschuldigungen zu vertuschen und eine falsche Version der Tatsachen darzustellen. Daraufhin wurde das Unternehmen durch mehrere Anwaltskanzleien in den USA von Aktionären angeklagt. U.a. aufgrund des Skandals sowie dem Handelskrieg mit den USA ist der Kurs von JD seitdem zeitweise um mehr als 20% gefallen.
Management: Overpromise & Underdeliver?
2016 versprach JD, dass täglich 1.000 Shops von JD eröffnet werden sollen, davon hat man aber noch nicht all zu viel gesehen. 2017 versprach das Unternehmen, im gleichen Jahr noch profitabel zu werden. Dies ist bis jetzt jedoch noch nicht eingetreten. Auch wurde versprochen, 1 Millionen Shops zu eröffnen und JD Logistics würde von Beginn an profitabel sein. Die Firma setzt sich sehr ehrgeizige Ziele, die nicht alle eingehalten werden können. In dieser Hinsicht erinnert die Firma ein wenig an Elon Musk (Tesla) in einem deutlich kleineren Rahmen.
JD verspricht öffentlich meist etwas zu viel, jedoch werden die Ziele und Einzelschritte bisher auf kurz oder lang eingehalten. Dazu kommt, dass das Management langfristig denkt und handelt und kurzfristige Gewinne hintenanstellt. Weiteres dazu bei der Bewertung.
Arbeitsklima und Firmenkultur: Einblicke von Mitarbeitern
Meine chinesische Freundin Chen Yingge hat exklusiv für diese Analyse mit zwei Mitarbeitern gesprochen, um einen tieferen Einblick in die Firma zu erhalten. Einer arbeitete als Ingenieur im Bereich Innovation und Management als Führungskraft. Hier eine Zusammenfassung:
Vorteile: JD schafft es, Manager aus Top-Unternehmen wie IBM oder Microsoft anzuwerben, die das Unternehmen nach vorne bringen. Insgesamt werden die Arbeitsabläufe als schnell und effizient beschrieben, da es eine sehr flache Struktur gibt. Die Bezahlung ist gut, der Leistungsdruck vergleichsweise hoch. Dies ist jedoch ein allgemeines Merkmal in chinesischen Unternehmen im Vergleich zu anderen Ländern. Die Zukunft der Firma wird als positiv eingeschätzt aufgrund eines besseren Wachstums auf dem Markt verglichen mit Alibaba. Die Expansion in neue Geschäftsbereiche minimiert das Risiko der Firma und die Fulfilment Struktur ist unangefochten in China.
Nachteile: Wichtige Entscheidungen werden alleine vom CEO und eventuell Topmanagement getroffen. Es wird zu wenig auf den Rat anderer Manager und Partner gehört. Dies wird als Grund für Fehlentscheidungen von JD genannt. Außerdem fühlen sich Führungskräfte und Mitarbeiter nicht wertgeschätzt für ihre Leistungen, daher wandern viele von ihnen zu Alibaba oder Tencent ab, da diese oft besser zahlen. Bei der internationalen Expansion wird JD noch nicht mit Amazon mithalten können. Amazon hat viele erfolgreiche Geschäftsfelder, wohingegen JDs Fokus klar der E-Commerce ist.
Aktionärsstruktur: Strategische Partner eingekauft
Zu den Zeitpunkten als JD strategische Partnerschaften eingegangen ist, hat der Partner häufig Aktien von JD akquiriert. Genaueres zu den Kooperationen weiter unten. Tencent besitzt Anteile in Höhe von 18%, Walmart 12% und Google 1%. Zu den institutionellen Aktionären gehören u.a. BlackRock, Fidelity und Tiger Global Management.