Nachkaufalarm: Bayer AG (WKN: BAY001)
Was ist passiert?
Darum ist der Kurs gefallen
Die Bayer AG ist eines der größten und wertvollsten deutschen Unternehmen mit 150-jähriger Geschichte. Bayer hat sein Geschäft in zwei Sparten aufgeteilt.
- In der Gesundheitssparte werden neue Medikamente entwickelt, die uns ein längeres und gesünderes Leben ermöglichen sollen.
- In der Agrarsparte entwickelt, produziert und vertreibt Bayer Saatgut und Pflanzenschutzmittel, um eine wachsende Weltbevölkerung mit nachhaltigen und robusten Nahrungsmitteln zu erschwinglichen Preisen versorgen zu können.
Die aktuellen Probleme entstammen der Agrarsparte. Bayer hat sich im Laufe der Jahre durch hohe moralische Standards und die Beachtung von Umwelt- und Nachhaltigkeitsaspekten einen sehr guten Ruf erarbeitet. Daher hat es viele Aktionäre überrascht, als Bayer im Sommer 2016 bekanntgegeben hat, den ewigen Konkurrenten im Saatgut- und Pflanzenschutzgeschäft, Monsanto, übernehmen zu wollen. Monsanto ist ein hochinnovatives Unternehmen, stellt gleichzeitig aber auch das umstrittene Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat her.
Im Gegensatz zur landläufigen Meinung erwirtschaftet Monsanto nur rund ein Viertel der Umsätze mit Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat. Drei Viertel und damit der Großteil der Umsätze entstammen der Produktion von Saatgut. Die Übernahme von Monsanto hat schon länger Druck auf den Aktienkurs von Bayer ausgeübt. Um die Übernahme stemmen zu können, wurde die Chemietochter Covestro an die Börse gebracht und für insgesamt rund 15 Mrd. EUR verkauft. Der erfahrene Aktienanalyst Thilo Hasler schreibt zu den aktuellen Problemen:
"Kaum befindet sich das US-Unternehmen in deutscher Hand, hat ein US-Geschworenengericht den Agrarkonzern Monsanto zur Zahlung von 285 Mio. USD Schmerzensgeld verurteilt, weil sein glyphosathaltiges Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ für die unheilbare Lymphdrüsenkrebserkrankung eines Klägers verantwortlich sein soll. Laut Urteilsspruch hätte Glyphosat "wesentlich" zur Krebserkrankung des Klägers, einem ehemaligen Hausmeister, beigetragen.
Seit jeher ist Bayer mit Prozessrisiken vertraut: Bayer verkauft Medikamente mit Prozessrisiken, Bayer verändert das Saatgut genetisch, was Prozessrisiken zur Folge hat, Bayer verkauft Herbizide und Pestizide, die mit Prozessrisiken behaftet sind. Das liegt in der Natur von "Life-Science". Bayer beschäftigt sich mit Lebewesen, das birgt Prozessrisiken.
Zwar wurde die Schadensersatzzahlung auf 285 Mio. Dollar festgesetzt. Doch in den meisten Fällen geht die beklagte Partei in Revision, in der die dann tatsächlich zu zahlende Schadensersatzzahlung um mindestens 90 % „abgerundet“ wird.
Nun könnte man sagen, das war ja nur ein Fall, eine Sammelklage werde folgen. Betrachtet man die Liste der größten Sammelklagen in der Geschichte der USA, stellt man schnell fest, dass mit Ausnahme der Tabakindustrie keine der Sammelklagen die Schwelle von 10 Mrd. US-Dollar überschritten hat. Zudem sind die Strafzahlungen in der Regel über mehrere Jahre verteilt – und in den USA steuerlich absetzbar!"
Durch den starken Kurseinbruch hat die Bayer Aktie rund 15 Mrd. USD an Marktkapitalisierung verloren. Vielen Marktteilnehmern wurde mit diesem vorläufigen Urteil wohl endgültig klar, dass sich Bayer mit der Übernahme auch eine ganze Menge Risiken eingekauft hat. In "Rechenspielen" werden die 250 Mio. USD nun auf alle rund 5.000 Klagen gegen Monsanto hochgerechnet.
Das macht aber nun wirklich keinen Sinn. Jeder Fall muss und wird einzeln betrachtet werden. Es handelt sich um ein vorläufiges Urteil von Laienrichtern. Einen wissenschaftlichen Beweis für die Schädlichkeit des Mittels gibt es nicht. Das Urteil ist nicht auf Basis wissenschaftlicher Studien gefällt worden. Monsanto selbst beruft sich auf "mehr als 800 wissenschaftliche Studien, darunter Zulassungsstudien der US-Umweltbehörde EPA, die alle zu dem Schluss gekommen seien, dass Glyphosat sicher sei und es keinen Krebs verursache. Man habe Mitgefühl mit jedem, der an Krebs leide, aber "der wissenschaftliche Befund zeigt klar, dass Glyphosat nicht die Ursache war", so Monsanto.
Es steht also Aussage gegen Aussage, wobei man nicht vergessen sollte, dass Pflanzenschutzmittel vor der Zulassung in einem Land durch die jeweiligen Behörden in offiziellen Studien geprüft werden.
So schätzen wir die Situation ein
Die fundamentalen Kennzahlen von Bayer sind nach wie vor überzeugend. In der kürzlich auf AlleAktien erschienenen Aktienanalyse zur Bayer AG habe ich das Unternehmen intensiv analysiert. Damals, noch vor dem Urteil, bin ich zum Ergebnis gekommen, dass sich durch die Übernahme der Gewinn je Aktie bis 2022 auf rund 9 EUR/Jahr erhöhen dürfte. Bei einem branchenüblichen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 18 lässt sich daraus ein Wert je Aktie von rund 160 EUR in vier Jahren ableiten.
Der aktuelle Aktienkurs von knapp über 80 EUR spiegelt zweifelsohne bereits eine gewaltige Skepsis wider. Die Risiken sind allen Kapitalmarktteilnehmern bekannt und dürften daher im Kurs eingepreist sein.
Jedes Unternehmen ist gewissen Risiken ausgesetzt. Mit einem diversifizierten Portfolio können die Risiken einzelner Unternehmen begrenzt werden.
Es gibt sicherlich eine geringe Wahrscheinlichkeit dafür, dass Bayer in den nächsten Jahren mit Klagen regelrecht überschüttet wird und sich der Aktienkurs daher nicht richtig erholt bzw. immer wieder erneut abgestraft wird. Es kann aber auch gut sein, dass sich der Aktienkurs aufgrund der steigenden Gewinne und der Einspareffekte durch die Übernahme in den nächsten Jahren in Richtung 160 EUR bewegt. Das wäre vom jetzigen Kurs aus eine Verdopplung. Dazu winkt noch die Dividende von rund 3,5%.
Wir von AlleAktien halten eine langfristige Investition in Bayer nach wie vor für sinnvoll. Gleichzeitig erkennen wir die Risiken an, die sich durch die Übernahme von Monsanto ergeben haben. Die aktuelle Bewertung preist aber bereits massive Strafzahlungen ein. Daher halten wir die Aktie für kaufenswert, würden aber den Anteil der Bayer-Aktien am Gesamtdepot nicht zu groß werden lassen.