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Kognitive Dissonanz – Wenn Anleger ihre eigenen Entscheidungen infrage stellen müssen

Kognitive Dissonanz – Wenn Anleger ihre eigenen Entscheidungen infrage stellen müssen

In der Psychologie bezeichnet kognitive Dissonanz den mentalen Stress oder das Unbehagen, das durch das Halten von zwei oder mehr widersprüchlichen Überzeugungen, Werten oder Einstellungen gleichzeitig entsteht. Dieser Zustand kann dazu führen, dass Individuen irrationale und manchmal destruktive Verhaltensweisen an den Tag legen, um die Dissonanz zu reduzieren.

In der Finanzwelt kann kognitive Dissonanz zu einer Reihe von suboptimalen Entscheidungen führen. Beispielsweise könnte ein Anleger, der eine Aktie gekauft hat und dann negative Informationen über das Unternehmen erhält, in einen Zustand der kognitiven Dissonanz geraten. Um die Dissonanz zu reduzieren, könnte der Anleger die negativen Informationen ignorieren oder diskreditieren und an der ursprünglichen Investitionsentscheidung festhalten, selbst wenn objektive Indikatoren für einen Verkauf sprechen.

Fiktives Beispiel

Sarah ist eine umweltbewusste Anlegerin, die vor einigen Jahren Aktien des fiktiven Unternehmens "GreenTech Energy" erworben hat. Das Unternehmen spezialisiert sich auf erneuerbare Energien und hat sich als Marktführer in der Solarbranche etabliert. Sarah war von der Mission des Unternehmens überzeugt und sah ihre Investition nicht nur als finanzielle, sondern auch als ethische Entscheidung.

Dann erscheint ein investigativer Bericht, der aufzeigt, dass "GreenTech Energy" in einigen seiner Übersee-Operationen weniger umweltfreundliche Praktiken anwendet und sogar gegen lokale Umweltauflagen verstößt. Diese Informationen stehen im direkten Widerspruch zu Sarahs Überzeugungen und dem Grund, warum sie in das Unternehmen investiert hat.

Hier tritt kognitive Dissonanz auf. Sarah steht vor dem Dilemma, entweder ihre Investition oder ihre ethischen Überzeugungen infrage zu stellen. Um die Dissonanz zu reduzieren, könnte sie verschiedene Wege einschlagen:

  1. Ignorieren der Informationen: Sarah könnte die Glaubwürdigkeit des Berichts infrage stellen oder ihn als "Einzelereignis" abtun, das nicht repräsentativ für das Unternehmen ist.
  2. Rationalisierung der Entscheidung: Sie könnte argumentieren, dass das Unternehmen trotz der negativen Praktiken insgesamt mehr Gutes für die Umwelt tut als andere, weniger nachhaltige Unternehmen.
  3. Verkauf der Aktien: Als radikalste Option könnte sie ihre Aktien verkaufen und die Dissonanz durch die Anpassung ihrer Investitionsstrategie an ihre ethischen Überzeugungen auflösen.

In jedem dieser Szenarien versucht Sarah, die kognitive Dissonanz zu reduzieren, die durch den Konflikt zwischen ihrer Investition und ihren ethischen Überzeugungen entstanden ist. Die Art und Weise, wie sie dies tut, kann jedoch erhebliche Auswirkungen auf die Qualität ihrer Finanzentscheidungen haben.

Wirecard – Kognitive Dissonanz in der Realität

Wirecard war ein deutsches Fintech-Unternehmen, das im Jahr 2020 in einen massiven Bilanzskandal verwickelt war. Vor der Enthüllung des Skandals war das Unternehmen ein Star der deutschen Tech-Szene, und viele Anleger hatten sowohl finanziell als auch emotional in Wirecard investiert.

Als erste Berichte über Unregelmäßigkeiten in der Bilanz des Unternehmens auftauchten, erlebten viele Anleger kognitive Dissonanz. Einerseits gab es ernsthafte Anschuldigungen und Beweise, die nahelegten, dass das Unternehmen in betrügerische Aktivitäten verwickelt war. Andererseits hatten die Anleger bereits eine positive Meinung über Wirecard und waren emotional und finanziell investiert.

Einige Anleger wählten, die negativen Informationen zu ignorieren oder zu rationalisieren, und hielten an ihren Aktien fest, in der Hoffnung, dass die Anschuldigungen unbegründet seien. Dies führte zu erheblichen finanziellen Verlusten, als das Ausmaß des Betrugs offengelegt wurde und der Aktienkurs von Wirecard einbrach.

In diesem Fall könnte der Bias der kognitiven Dissonanz dazu geführt haben, dass Anleger trotz ernsthafter roter Flaggen an einer schlechten Investition festhielten, was zu erheblichen finanziellen Verlusten führte.

Fazit

Kognitive Dissonanz ist ein mächtiger kognitiver Bias, der die Fähigkeit zur rationalen Entscheidungsfindung erheblich beeinträchtigen kann. In der Finanzwelt kann dies zu einer Reihe von suboptimalen Entscheidungen führen, die das Portfolio und die langfristige Anlageperformance negativ beeinflussen können. Durch das Bewusstsein für diesen Bias und die Implementierung von Strategien zu seiner Überwindung können Anleger bessere, datengesteuerte Entscheidungen treffen.