Nettofinanzverschuldung
Die Nettofinanzverschuldung (auch Nettofinanzverbindlichkeiten genannt) ist eine Kennziffer, die den Netto-Schuldenstand eines Unternehmens ausdrückt. Es handelt sich dabei um eine Kennzahl aus der Bilanz eines Unternehmens, die einfach gesprochen die "tatsächlichen Schulden" eines Unternehmens offen legt.
Kernpunkte
- Die Nettofinanzverschuldung gibt Aufschluss über die finanzielle Stabilität eines Unternehmens.
- Die Kennzahl gibt die tatsächlichen Schulden eines Unternehmens wieder.
Übertragen auf eine Privatperson
Um das ganz einfach zu erklären übertragen wir die Schulden in einem Beispiel auf eine Privatperson. Wir nehmen an, die Person hat Schulden in Form von Kreditkartenschulden, Dispositions- und Autokredit, sowie einer Immobilienfinanzierung. Diese werden auf die Schulden aufsummiert und von allen liquiden Mitteln, also Bargeldvermögen, Vermögen auf dem Girokonto abgezogen. (Mit diesem Vermögen könnte in der Theorie jederzeit zumindest ein Teil der Schulden zurückgeführt werden.)
Verschuldung | Betrag |
Kreditkarte | 1.600 EUR |
Dispositionskredit | 1.000 EUR |
Autokredit | 20.000 EUR |
Immobilienkredit | 100.000 EUR |
Summe Schulden | 122.600 EUR |
Liquide Mittel | Betrag |
Bankkonto | 5.000 EUR |
Bargeld | 800 EUR |
Summe liquide Mittel | 5.800 EUR |
Um nun die Nettofinanzverschuldung zu ermitteln ziehen wir die Summe aller liquiden Mittel, hier: 5.800 EUR von der Summe aller Schulden, hier: 122.600 EUR ab. Übrig bleiben 116.800 EUR als Nettoverschuldung der Person.
Berechnung der Nettofinanzverschuldung
Generell werden für die Berechnung folgende Werte verwendet:
Nettofinanzverschuldung | Beschreibung |
zinstragende Verbindlichkeiten | kurzfristige Finanzverbindlichkeiten und langfristige Finanzverbindlichkeiten wie Anleihen, Bankkredite, Schuldscheindarlehen |
+ ggf. Pensionsrückstellungen | wenn diese außergewöhnlich hoch sind, sonst meist zu vernachlässigen |
+ ggf. Rückstellungen | wenn diese außergewöhnlich hoch sind, sonst meist zu vernachlässigen |
- liquide Mittel | Flüssige Mittel bzw. Kassenbestand, flüssige Mittel als Finanzanlagen |
=Nettofinanzverschuldung |
Anwendung in der Praxis
Die Nettofinanzverschuldung ist eine sogenannte Verschuldungskennziffer und gibt Aufschluss über die finanzielle Stabilität von Unternehmen. Eine solide Firma zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Verschulung jederzeit in einem angemessenen Zeitraum theoretisch zurückführen könnte. Welcher Zeitraum hier als "angemessen" anzusehen ist, muss von Branche zu Branche differenziert werden. Um eine bessere Aussagekraft zu erhalten, sollte die Nettofinanzverschuldung dem EBITDA ins Verhältnis gesetzt werden. Aus diesem Grund ist die Kennziffer der Nettofinanzverschuldung im Verhältnis zum operativen Gewinn von besonderer Bedeutung.
Entscheidend ist dabei nicht nur die aktuelle Ertragskraft des Unternehmens, sondern auch mit welcher Verlässlichkeit die Gewinne erzielt werden. Daher ist es wichtig, zusätzlich zum aktuellen Verschuldungsverhältnis einen Blick auf die Gewinnstabilität der vergangenen Jahre zu werfen.
Als Daumenregel gilt: Sofern die Nettofinanzverschuldung kleiner als der vierfache operative Gewinn (EBIT) ist, gilt ein Unternehmen als solide finanziert und erhält in der Regel das begehrte Investment-Grade-Rating. Unternehmen, die im Investment-Grade-Bereich bewertet sind, haben typischerweise eine jährliche Ausfallwahrscheinlichkeit von unter einem Prozent.
Außerdem wird die Nettofinanzverschuldung benötigt, um im Rahmen einer Aktienbewertung oder Unternehmensbewertung zu ermitteln, ob eine Aktie bzw. ein gesamtes Unternehmen tendenziell unter- oder überbewertet ist. Der Unternehmenswert (auch: "Enterprise Value") ist der Gesamtwert eines Unternehmens oder einer Aktiengesellschaft. Auf die Marktkapitalisierung wird die Nettofinanzverschuldung des Unternehmens addiert.
Der Enterprise Value eliminiert verzerrende Effekte bei der Unternehmensbewertung, indem die Kapitalstruktur eines Unternehmens neutralisiert wird. Egal ob ein Unternehmen stärker mit Eigenkapital oder mit Fremdkapital arbeitet, in den Enterprise Value wird jede Art von eingesetztem Kapital eingerechnet. Dadurch wird eine bessere Vergleichbarkeit von Unternehmen bei der Aktienbewertung erreicht.
Die Nettofinanzverschuldung wird außerdem verwendet, um den fairen Unternehmenswert ("Enterprise Fair Value") einer Aktiengesellschaft zu ermitteln. Der Fair Value ist eine Messgröße für den Wert eines Unternehmens, unabhängig von seiner Finanzierung und ergibt sich aus der Marktkapitalisierung + Nettofinanzverschuldung.